Immer wieder werde ich von Kunden gefragt, wie sich meine Hinterhofgebäude-Bausätze sinnvoll einsetzen lassen. Das ist durchaus keine dumme Frage, denn in den früher mit Gebäuden aller Art vollgestopften Hinterhöfen sieht es heutzutage oft recht leer aus. Was war damals hier nicht alles zu finden: Kleingewerbebetriebe aller Art, Waschhäuser, Schuppen, sogar die Außentoiletten waren hier untergebracht. In unserer Zeit ist das alles überflüssig geworden, im modernen Hinterhof dominieren Garagen und Spielplätze. Begleiten Sie mich also auf einer Reise zurück in die Zeit des Wirtschaftswunders, von den Modellbahnern auch “Epoche 3” genannt. Wir schreiben das Jahr 1959. Der zweite Weltkrieg hat auch unser Stadtviertel nicht ganz verschont, die Häuser der einen Seite des einst geschlossene Karrees wurden durch Bomben so weit beschädigt, dass sie nicht wieder aufgebaut wurden. Die Ruinen wurden abgetragen und an ihrer Stelle Kleingärten angelegt. Wo früher das Eckhaus stand, hat sich inzwischen ein Gebrauchtwagenhändler mit zweifelhaften Ruf breit gemacht. Die Gebäude im Hofinneren wurden aber wie ein Wunder verschont und dienen auch jetzt noch ihrem ursprünglichen Zweck.Hier unterbrechen wir unsere Reise, denn noch sind die Planungen nicht so weit fortgeschritten, dass ich alles genau beschreiben kann.
Einen intakten Großstadt-Hinterhof im Bauzustand der späten 50er Jahre zu finden, dürfte heutzutage sehr schwer sein. Ich habe jedenfalls noch keinen gefunden und mehr als einmal kam ich wohl nur kurze Zeit zu spät. Wie auf dem Bild unten zu sehen ist wurden die Hinterhofgebäude erst vor kurzen abgerissen. Erschwert wird die Suche noch dadurch, dass Hinterhöfe meistens nicht öffentlich zugänglich sind, und wenn doch ist oft nur ein kleiner Teil der gesamten Anlage zu sehen. Die Vorbilder meiner Bausätze stammen deshalb auch nicht von einem einzigen Hinterhof, sondern wurden über Jahre hinweg fotografisch zusammen getragen. Bleibt noch die entscheidende Frage offen, wie die Modelle angeordnet werden dass sie sowohl ein harmonisches Ensemble ergeben, als auch in ihrer Funktion und Anordnung logisch sind. Beim Bau meines Dioramas habe ich darauf geachtet, dass die einzelnen Hinterhofmodelle von oben betrachtet sich den entsprechenden Wohnhäusern zuordnen lassen. Der eine oder andere Betrachter wird bemängeln, dass der Hinterhof vorbildwidrig zu sehr mit Gebäuden vollgestopft ist. Dass dem nicht so ist, beweisen die unten gezeigten historischen Luftaufnahmen.
Die Abmessungen des Dioramas betragen 100cm x 60cm. Die Idee ist, möglichst viele meiner Hinterhof-Bausätze sinnvoll zu verwenden. Die Wohnbebauung soll aus bereits vorhandenen Gebäuden, einigen Selbstbauten, sowie umgebauten Großserienmodellen bestehen. Meine Wahl viel auf die Häuserzeile “Goethestraße” von Faller, weil diese Bausätze vorbildgerechte Rückseiten aufweisen. Diese Rückseiten bilden als Halbrelief den hinteren Anlagenabschluss. Die Vorderfronten werden mit selbst gestalteten Rückseiten versehen und bilden den rechten Teil des Dioramas. So entstehen aus vier Bausätzen acht Modelle. Die Fotos unten zeigen den derzeitigen Bauzustand.
Mittlerweile ist die Planungsphase abgeschlossen. Die Gebäude sind im Rohbau fertig gestellt und an ihrem endgültigen Platz. Um der Szene mehr Dynamik zu verleihen, habe ich das Gelände terassenartig in vier Ebenen angelegt. Die einzelnen Höfe steigen nach hinten an und werden von Mauern und Zäunen getrennt. Um die Wirkung zu testen habe ich die Mauern provisorisch mit Streifen aus 4mm Hartschaum dargestellt. Als nächstes werden die Gebäude, beginnend mit den Wohnhäusern, fertig gestellt.
Das linke Eckhaus entstand aus dem Faller Bausatz 130919 “Goethestraße 90”. Ich habe es ausgewählt weil es keinen rechtwinkligen Grundriss hat, außerdem befindet sich im Untergeschoss eine Tordurchfahrt. Ohne diese Durchfahrt wäre der zugehörige Hinterhof nicht mit Fahrzeugen zu erreichen, was für den dort ansässigen Gewerbebetrieb ungünstig wäre. Die Straßenseite wurde weitgehend unverändert gebaut, ich habe lediglich die später nicht sichtbare linke Außenwand weg gelassen. Sie wird später eventuell bei einem anderen Projekt verwendet. Die hofseitigen Wände des Bausatzes haben verputztes Mauerwerk und seltsamer Weiße keine Tordurchfahrt, was ich so natürlich nicht gebrauchen konnte. Sie wurden aus 1,5mm Polystyrol und den bewährten 0,5mm Mauerplatten von Slaters neu angefertigt, welche nicht nur maßstäbliche Ziegel aufweisen, sondern auch den für Nürnberg und Umgebung typischen Verband (Bild 4) Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit habe ich die Fassade nicht neu bemalt, die Farben der Bausatzteile haben mir gut gefallen. Außerdem - ja ich gebs zu- war ich schlichtweg zu faul. Eine dezente Alterung sollte genügen. Und hier fingen die Schwierigkeiten an. Anders als die Bausatzteile von Kibri oder Auhagen sind die von Faller sehr glatt und glänzend. Die sonst von mir eingesetzte Schulmalkastenbrühe perlt gnadenlos ab. Es blieb mir also nichts weiter übrig, als das Modell so richtig einzusauen. Zum Einsatz kam spiritusverdünnte Acrylfarbe von Revell, und zwar recht dick angemischt. Danach sah das Modell aus wie nach 40 Jahren Chemiekombinat Bitterfeld. Mit einem spiritusgetränkten Lappen entfernte ich die Farbschicht so weit, dass ein gerade noch matt deckender Farbschleier übrig blieb. Mit hellen Farben graniert sieht das Modell nun doch einiger Maßen passabel aus. Das Kupferdach erhielt seine Grünspan imitierende Farbe durch granieren mit verschiedenen Grüntönen, beginnend von dunkel nach hell.
Ursprünglich wollte ich den bereits vorhandenen schon recht betagten Kibri Bausatz 8350 “Gasthof zum Stern” als Ausgangsbasis verwenden, von dem ich wusste dass er nicht ganz maßstäblich war. Ein längst fälliger Vergleich mit dem Originalgebäude das nur einen Steinwurf von meiner Wohnung entfernt steht, ergab dann aber doch zu große Diskrepanzen (Bild 1). Der anschließende Gebäudekomplex stammt deshalb -treue Leser haben es sicher längst erkannt- von meiner alten Anlage. Ausgangsmaterial war der Kibri Bausatz 8294 “Haus am Sternplatz” dessen Grundriss komplett verändert wurde. Die Fassaden auf der Straßenseite sind leicht winklig zueinander angeordnet, haben aber eine gemeinsame (selbst angefertigte) Rückseite. Der linke Teil des Gebäudes beherbergt eine Gastwirtschaft mit recht zweifelhaften Ruf. Die Bezeichnung “Weinlokal” diente in Nürnberg vor dem ersten Weltkrieg als Tarnbezeichnung für eine Lokalität in der ein meist waagrecht durchgeführtes Gewerbe ausgeübt wurde. Ob es inzwischen von anständigen Wirtsleuten übernommen wurde, entzieht sich allerdings der Kenntnis des Verfassers. Der Name wurde jedenfalls beibehalten. Ganz ohne Änderung konnte ich das Modell aber doch nicht übernehmen. Die letzten drei Zentimeter auf der rechten Hofseite wurden am ursprünglichen Standort durch ein weiteres Gebäude verdeckt und sind deshalb nicht durchgestaltet. Nach längeren überlegen kam ich auf die Idee, diese Stelle mit einem noch vorhandenen Schornstein wegzutarnen. Vom optischen Eindruck her ist das eine sehr ansprechende Lösung, allerdings ist ein so großer Kamin nur durch eine (ehemals) vorhandene Dampfmaschine zu rechtfertigen. Angesichts der eher bescheidenen Anbauten eine recht gewagte Lösung, aber das Gebäude ist doch so breit dass zum Beispiel eine “Feinmechanische Werkstätte” in seinem Inneren denkbar wäre. Auch der verwinkelte Werkstattanbau (inzwischen wieder bei mir erhältlich, Art. 115 “Große Hinterhof-Werkstatt”) lässt diese Annahme zu. Ansonsten wurde am Modell nichts weiter verändert. Halt, eine kleine Änderung habe ich doch noch vorgenommen: die beiden Damen auf der Dachterrasse waren ursprünglich unbekleidet, was mir für die späten 50er dann doch etwas zu freizügig erschien. Zwar spielte meine Vorgängeranlage auch in der Zeit, aber am ursprünglichen Standort waren die Mädels vor neugierigen Blicken geschützt. Das ist nun durch die Nachbarhäuser leider nicht mehr der Fall. Ich gebe zu, es hat mich ganz schön Überwindung gekostet ihnen nachträglich einen Bikini aufzupinseln, gehe ich doch sonst bei meinen Modellfiguren eher den umgekehrten Weg. Ihnen einen für die damalige Zeit eher typischen keuschen Badeanzug zu verpassen, brachte ich dann aber doch nicht übers Herz.
Wie der aufmerksame Leser sicher bereits bemerkt hat, befinden wir uns in einer nicht ganz anständigen Wohngegend. Das Haus am linken vorderen Anlagenrand bildet da, sehr zum Leidwesen der im Hof ansässigen Gewerbebetriebe die um ihren guten Ruf fürchten, keine Ausnahme. Die Häuser wurden zwar früher oft nach dem Prinzip “vorne hui und hinten pfui” gebaut, sprich: vordere Fassade prunkvoll überladen, nach hinten raus unverputzter Backstein; bei diesem Haus trifft die Bezeichnung “pfui” aber auch auf sein inneres zu. Zumindest sind die Nachbarn dieser Meinung. Woher sie das wissen bleibt jedoch unklar, behaupten doch besonders die männlichen Anwohner, niemals auch nur einen Schritt ins Innere gesetzt zu haben.Die Vorderseite stammt aus der bereits erwähnten Häuserzeile “Goethestraße” von Faller und wurde ohne Veränderung gebaut. Auch hier gefielen mir die Farben so gut, dass ich auf einen Neuanstrich verzichtet habe. Wie beim hinteren Eckhaus ist auch hier der Kunststoff sehr glatt und glänzend. Diesmal wollte ich aber nicht wieder einen so heruntergekommenen Eindruck erreichen, der Plastikglanz musste also weg. Nach langen Überlegen kam mir die rettende Idee, die so genial simpel ist dass es mich sehr gewundert hat nicht früher darauf gekommen zu sein. Mattlack von Humbrol aus der Sprühdose war die Lösung. Nach dem Trocknen ist die Oberfläche wirklich stumpfmatt und bietet einen perfekten Untergrund für die Lasur aus Wasserfarbe. Die restlichen Wände entstanden wieder aus 1,5mm bzw. 2mm Polystyroplatten, für das Dach kam Restmaterial aus der Bastelkiste zum Einsatz. Vorher erhielt die Wohnung zu der die Dachterrasse gehört noch eine komplette Inneneinrichtung im Stil der 50er Jahre samt der zugehörigen Bewohnerin, die gerade beim Arbeiten ist. Um sie bei ihrer Tätigkeit nicht zu stören, kann die Inneneinrichtung hier leider nicht gezeigt werden.
Wie bereits erwähnt, entstanden die hinteren Wohnhäuser aus den Rückfassaden der Faller Häuserzeile “Goethestraße” Die Giebelseiten sind ab Werk durch eine Sollbruchstelle bereits so weit vorbereitet, dass sie nur noch auseinander gebrochen werden müssen. Große Änderungen wurden nicht vorgenommen, lediglich die beiden rechten Häuser erhielten ein neues Dach mit Dachgauben und Schornsteinen aus der Bastelkiste. Die dünne Klarsichtfolie aus dem Bausatz habe ich durch 2mm Acrylglas ersetzt, die beiliegenden Papiergardienen konnten somit direkt von hinten aufgeklebt werden und haben trotzdem einen gewissen Abstand zur Vorderseite der Scheibe.
Das anschließende rechte Eckhaus habe ich aus diversen Resinteilen aus der Restekiste zusammen gepfriemelt. Es stellt sich immer wieder heraus dass es gut ist nichts wegzuwerfen, auch wenn man es im Moment nicht brauchen kann.
Die beiden restlichen Häuser auf der rechten Seite sind vorne wieder von Faller, die Hofseiten entstanden auf die gleiche Weiße wie bei der Pilsbar. Um mich nicht zu wiederholen, spare ich mir eine genaue Beschreibung, auf den Fotos sind die Umbauten recht gut zu erkennen.
Bis auf den kleinen Anbau mit der begehbaren Dachfläche und dem hohen Hinterhaus, welche beide aus der “Goethestraße” sind, stammen alle Gebäude aus meinem Programm (was ja schließlich Sinn der Sache ist). Auch hier verzichte ich auf einen detaillierten Baubericht, sie wurden weitgehend unverändert gebaut.
Das “Begrünen” des Dioramas war relativ schnell erledigt, viel wächst auf den gepflasterten Höfen ja nicht. Realistisch betrachtet hätte ich mir die Arbeit auch weitgehend sparen können, denn in den 50ern waren die Hinterhöfe oft penibelst gepflegt. Unkraut, Gras oder gar kleine Büsche in den Ecken wären undenkbar gewesen, allenfalls ein paar Bäume waren erlaubt. So weit wollte ich aber nicht gehen, das Ergebnis wäre zu langweilig und steril geworden. Als erstes galt es die Übergänge der Gebäude zum Boden zu kaschieren. Fein gesiebter Sand wurde mit dem Pinsel an die entsprechenden Stellen gefegt und mit dem bewährten Weißleim/Wasser Gemisch befestigt. Gleich anschließend aufgestreute Mikroflocken von Woodland erzeugten bereits einen brauchbaren Effekt. Vervollständigt wurde der Bewuchs mit Grasbüscheln und kleinen Sträuchern aus Heki Blätterflor mittelgrün. Auch die beiden größeren Bäume sind von Heki, sie wurde mit aufgestreuten Streumaterial das mit Haarlack extra strong fixiert wurde etwas aufgepeppt. Die Ausstattung mit Figuren und Zubehör ist noch nicht ganz abgeschlossen, es fehlen z.B. noch die Mülltonnen und auch die Autos beim Gebrauchtwagenhändler sind noch nicht alle aufgerüstet. Sie werden zum Teil später noch durch bessere Modelle ersetzt. Überhaupt musste ich aus Zeitgründen so manches anders machen als ursprünglich geplant. Das Hof- und Straßenpflaster sollte eigentlich komplett selbst graviert werden, ich habe dann aber doch lieber bedruckte Pappe genommen. Der störende Glanz war mit Mattlack schnell beseitigt und ich finde das Ergebnis sieht gar nicht so schlecht aus. Was ebenfalls fehlt sind Gullydeckel. Mein Mobahändler hatte keine vorrätig und extra welche bestellen wollte ich nicht. Insgesamt hat das Diorama auch so schon etliche Stunden Arbeit verschlungen und mir wird ganz schwindlig wenn ich daran denke eine komplette Anlage auf dem Niveau bauen zu müssen. Hätte ich alle Ideen mit der dafür nötigen Akribie verwirklicht, wäre ich wohl Weihnachten in drei Jahren noch nicht fertig geworden. Angesichts dessen werde ich in Zukunft so manche Anlage die nicht 100% perfekt aber dafür zwanzig mal größer ist, wohl mit etwas anderen Augen betrachten.
Bei Gelegenheit werde ich das Diorama draußen bei besseren Lichtverhältnissen nochmal fotografieren, denn so ganz bin ich mit der Qualität der Fotos nicht zufrieden.
Die Gelegenheit ließ lange auf sich warten, aber im März 2015 war es endlich soweit. Nach ausgiebiger Standortrecherche nutze ich einen sonnigen Sonntag und habe das Diorama im Freien fotografiert. Einen geeigneten Standort zu finden war alles andere als einfach. Ich wollte das Diorama nicht einfach vor einem neutralen Wolkenhimmel fotografieren, sondern in seiner natürliche Umgebung, nämlich in der Stadt. Das Problem ist, dass die realen Häuser im Hintergrund nicht nur vom Baustil her in die Zeit um 1960 passen sollten, sondern vor allem den richtigen Abstand haben müssen. Und der muss erschreckend groß sein. Nichts würde unrealistischer aussehen, als wenn die "echten" Gebäude im Hintergrund größer wären als die Modellhäuser davor. Jetzt finde mal jemand einen Standort mit passenden Gebäuden in etwa 100 Meter Entfernung und dazwischen nichts was stört, keine Autos, keine Bäume und auch sonst nichts was irgend wie unangenehm auffällt.
Die Aufnahmen entstanden schließlich auf dem schon lange stillgelegten Nürnberger Hauptgüterbahnhof. Leider konnte ich aus Zeitmangel wegen eines aufziehenden Unwetters nicht alle fotografischen Register ziehen und habe mehr auf Masse als auf Klasse gesetzt. Ein paar Aufnahmen sind aber trotzden halbwegs brauchbar geworden.