Die Leser meiner Anlagenberichte werden es längst bemerkt haben: Rangieren ist nicht meine Leidenschaft. Ich will Züge fahren sehen. Den linken Anlagenteil meiner mittlerweile abgebrochenen Anlage “Hanullingen” mit seinen vielen Gleisanschlüssen habe ich genau zwei mal benutzt. Einmal kurz nach Fertigstellung und dann zum Abschied noch ein letztes mal kurz vor der Demontage. Hätte Hanullingen einen Schattenbahnhof gehabt, wäre ihr dieses Schicksal wohl erspart gebleiben, denn Fahrstecke war reichlich vorhanden. Es musste eine neue Anlage her.
Für den Nachfolger von Hanullingen ("Gräfenstein") veranschlage ich etwa 3-5 Jahre Bauzeit, aber solange will ich nicht abstinent sein. Zum Glück hatte ich in einem anderen Zimmer noch etwas Platz für eine “Zweitanlage” und dieses mal wollte ich alles besser machen. Das ist mir leider nicht ganz gelungen denn auch die neue Anlage hat ihre Tücken, aber dazu später mehr.
Der einst hervorragende Ruf von Bad Spenzer als Luftkurort hat nach dem Zweiten Weltkrieg deutlich gelitten. Den reichen Industriekapitänen der Wirtschaftswunderzeit genügte das beschauliche Kuren bald nicht mehr und so ist es kein Wunder, dass sich allerlei zwielichtiges Gewerbe abseits der mondänen Kurhotels breit gemacht hat. Besonders in der Weststadt mit ihren Mietskasernen und Industriebetrieben gedeit das senkrechte Gewerbe derart, dass die Sittenpolizei kaum hinterher kommt. Besonders genau nimmt sie die Bekämpfung des Sittenverfalls aber nicht. Seit einflussreiche “Herren” aus Politik und Wirtschaft die Kleinstadt als Tagungsort fern der daheimgebliebenen Ehefrauen entdeckt haben, beschränkt sich die Ordnungsmacht lediglich darauf kleinkriminelle Taschendiebe und Trickbetrüger zu verfolgen. Bei denen lässt der zuständige Staatsanwalt aber keine Gnade walten, ist er doch selbst Stammgast im Grand Hotel und in den entsprechenden Etablissements. Sämtliche Beschwerden der geplagten anständigen Bewohner blieben leider erfolglos.
Etwas abseits auf dem Land ist die Welt aber noch in Ordnung. Der Biergarten des Plörr-Bräu ist ein beliebtes Ausflugsziel für die wochentags schwer arbeitende Bevölkerung. Hier im nahen Umland findet sie Erholung ohne Angst den Sittenverfall der damals noch zahlreichen Kinder berfürchten zu müssen. Die oberen Zehntausend meiden diese Oase, sie bleiben lieber unter sich und Edelwein und Nobelsekt schenkt der Wirt auch nicht aus. Noch nicht, denn wie gemunkelt wird hat er ein gutes Übernahmeangebot von einem stadtbekannten Nachtclubbesitzer erhalten. Hoffen wir dass er standhaft bleibt.
Der Bahnhof ist der Mittelpunkt der meisten Modellbahnanlagen und auf nicht wenigen ist er das einzige was im sichtbaren Bereich zu finden ist. Freie Strecke: Fehlanzeige. Bei mir ist es genau umgekehrt, ich wollte eine Paradestrecke mit Schattenbahnhof.
Zur Verfügung hatte ich 450cm x 100cm, an der rechten Seite nochmal 120cm x 60cm. Die alles entscheidende Frage war: wohin mit dem Schattenbahnhof? Die einfachste Möglichkeit Tunnel links und rechts, vorne Strecke und dahinter unter einem Berg der Schattenbahnhof, schied aus. Er wäre nur durch Verrenkungen von unten erreichbar, denn die Anlagenrückseite ist an der Wand. Platz für einen Wartungsgang war leider nicht vorhanden. Deshalb wäre auch die Landschaftsgestaltung sehr schwer gewesen. Mein Arm reicht nicht bis zum hinteren Rand. Der Schattenbahnhof musste in den Untergrund, mit mindestens 25cm Durchgriffshöhe. Das ist nur mit Gleiswendeln machbar, die auch schnell besorgt waren. Ich wollte ihn möglichst am vorderen Anlagenrand. Dann wäre die Paradestrecke im Obergeschoss aber am hinteren Rand, was wegen der oben erwähnten begrenzten Armlänge ausschied. Diagonal verlegt ist auch keine Lösung, die Vor- und Nachteile würde sich gegenseitig aufheben. Notgedrungen ist er also hinten, mit viel Akrobatik komme ich bei Entgleisungen gerade noch ran. Der durchgestaltete Bereich wird auf 60cm begrenzt, dahinter ist die Kulisse welche nicht bis nach unten in den Schattenbahnhof reicht.
Die nächste Frage war: wie stelle ich die Weichen? Aus Kostengründen wollte ich auf elektrische Antriebe verzichten. Zum Glück gibt es von Peco Weichen die nicht nur über genügend Anpressdruck der Weichenzungen verfügen, sondern auch noch als sog. Stoppweichen funktionieren. Sie lassen den Strom immer nur in die eingestellte Richtung durch. Somit genügt nur ein Stromanschluss und alles funktioniert, abschaltbare Gleise erübrigen sich. Doch wie stelle ich die Dinger nun eigentlich wenn der Arm zu kurz ist? Es mussten Stellstangen her. Alurohre mit 5mm Durchmesser aus dem Baumarkt haben sich als optimal herausgestellt. Am vorderen Ende schräg abgefeilt und mit einer Bohrung versehen, stellen sie die Weichen zuverlässig.
Damit ich immer weiß welche Weichen ich stellen muss um einen bestimmten Zug fahren zu lassen, habe ich mir ein System ausgedacht. Den Gleisplan habe ich ausgedruckt und die einzelnen Gleise mit Farben versehen.
An den Enden der Stellstangen habe ich dann die entsprechende Gleisstellung mit farbigen Klebeband markiert. Das Funktionsprinzip ist ganz einfach: das hintere Klebeband zeigt die Weichenstellung auf Geradeaus an, das vordere auf Abzweig. Die Grundstellung der Weichen ist immer Geradeaus, die Stellstangen sind hierfür alle gedrückt. Will ich nun z.B. den Zug auf dem roten Gleis fahren lassen, muss ich die vorne rot markierten Stellstangen ziehen, alle anderen blieben gedrückt. Wenn der Zug wieder im Schattenbahnhof angekommen ist, werden die Stangen wieder nach hinten gedrückt. Das funktioniert sehr zuverlässig.
Die 120cm auf der rechten Seite habe ich mit einer abzweigenden Nebenstrecke verbunden. Sie endet in zwei Stumpfgleisen, die von einer Brücke überquert werden um einen kleinen Vorortbahnhof anzudeuten. Durch diesen optischen Trick sieht es so aus, als würden der Bahnhof nach der Brücke weiter gehen. Am vorderen Anlagenrand ist noch ein Stumpfgleis das die Spedition anbindet, es ist nicht mit dem Rest der Anlage verbunden.
Und nun zu den ganz am Anfang erwähnten Tücken: leider sind die Gleiswendeln sehr steil geraten, was platzbedingt nicht anders ging. Fahrversuche im Rohbau mit der 56er und 86er von Fleischmann waren durchaus erfolgreich, erstere zieht einen 15 Wagen Güterzug (das ist die Maximallänge) problemlos hoch. Auch die 86er hat mit zwei leicht gekürzten Silberlingen von Fleischmann (die längsten eingesetzten Wagen) und einer Hand voll Donnerbüchsen keine Probleme. Die nach der Fertigstellung angeschaffte Fleischmann 38er kommt mit drei Hechten und einen Postwagen aber ins Schleudern. Mehr als einen Silberling und einen Steuerwagen schafft sie leider nicht. Ich muss sie deshalb als Wendezug auf der Nebenstrecke einsetzen. Auch ist mir die Ausrundung der Steigungsenden nach den Wendeln leider nicht ganz harmonisch gelungen. Aber es funktioniert, und bis „Gräfenstein“ fertig ist erfüllt die Anlage durchaus ihren Zweck.
Das Sprichwort “Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht” kommt daher, dass es davon im Wald viele gibt. Sehr viele! Während sie in der Natur von selbst groß werden, muss sie der Modellbahner entweder für teures Geld kaufen oder mühsam selbst basteln. Nicht jeder hat dafür die Zeit oder das Geld, und es ist auch gar nicht nötig. Mit einen Sparwald ist das Thema Aufforsten schnell und preiswert erledigt. Ich habe diesen Kniff vor vielen Jahren in einen damals schon alten Buch gesehen, aber mir ist bisher kein Fall zu Ohren gekommen, dass er auch angewendet wurde. Dabei ist der dahinter stehende Gedanke alles andere als schwer durchschaubar. Wobei wir auch schon beim Thema wären, denn was ist zu sehen, wenn man im Sommer in einen Laubwald blickt? Da ist eine gigantische grüne Wand aus Blättern, je nachdem wie dicht die Belaubung ist, sind eventuell ein paar Baumstämme zu sehen. Bei reinen Nadelwäldern dringt der Blick etwas tiefer ein, aber auch hier ist das Waldinnere durch die Schattenwirkung kaum zu erkennen. Von einer etwas erhöhten Position (wie bei Modellbahnen üblich), bilden die Baumwipfel die Fortsetzung der grünen Wand bis zum Horizont. Die logische Konsequenz für den Modellbahner ist, dass es nur sinnvoll ist, die vorderen Reihen darzustellen. Alles was weiter als etwa 20cm nach innen geht, entzieht sich schon den Blick. Bleiben noch die erwähnten Baumwipfel. Und hier kommt der “Sparwald” ins Spiel. Er besteht aus einen schwarz gestrichenen Kasten der bis ca.5cm unter die Baumkronen der vorderen Reihen reicht. Ich habe ihn aus Styroporplatten erstellt, die Deckschicht ist ordinäres Islandmoos das ich vor Weihnachten preiswert im Baumarkt gekauft habe. Sein ursprünglich gedachter Verwendungszweck für Weihnachtskrippen soll und nicht weiter stören. Wichtig ist nur, die etwas grobe „Aststruktur“ aufzulockern. Satt mit Haarspray „Extra Strong“ eingenebelt und mit Blättern von Noch überstreut, sieht das ganze schon sehr nach Wald aus. Direkt davor werden ein paar Äste als Baumstämme platziert, dann kommen die Modellbäume. Das Resultat ist ein dichter Wald, die Ersparnis an Modellbäumen ist bei mir etwa 60%. Dieser Wert erhöht sich proportional zur Tiefe des Modellwaldes, je tiefer desto höher die Ersparnis.
...nur der Zug hat zwei. Und der ist in Bad Spenzer West endgültig abgefahren. Die Anlage Gräfenstein ist fertig und es ist Zeit Abschied zu nehmen. Bad Spenzer hat seinen Zweck erfüllt und muss für ein neues Projekt weichen. Neues hierzu demnächst auf diesem Bildschirm...